Wie der Film »New Moon – Biss zur Mittagsstunde« das Toskanastädtchen Volterra aufwirbelt
Hier ein Interview mit einer Frau die Rundgänge in Volterra macht…
DIE ZEIT: Frau Zettelmayr, Sie bieten Rundgänge durch Volterra in der Toskana an. Ihre Stadt ist die Heimat der Vampirsfamilie aus der Twilight- Saga oder, auf Deutsch: der Bis(s)- Reihe der US-Autorin Stephenie Meyer. Die Bücher sind Bestseller. Gerade ist in Deutschland unter dem Titel New Moon die Verfilmung des zweiten Bandes angelaufen. Hat sich das Leben in Ihrem beschaulichen Ort verändert?
Eva Zettelmayr: Oh ja! Neuerdings kommen nur deswegen massenweise Touristen – na ja: eher Touristinnen – zu uns. Die Geschichte mit Bella, die sich in Vampir Edward verliebt, ist ja sehr romantisch. Wir bieten spezielle Führungen zu der Saga an. In vielen Geschäften gibt es T-Shirts mit New Moon- Motiven zu kaufen. Beliebt sind auch die lilafarbenen Stadtpläne, auf denen die wichtigsten Orte der Handlung verzeichnet sind. //
ZEIT: Wie viele Touristen kommen wegen der Vampire nach Volterra?
Zettelmayr: Seit Anfang des Jahres, als die Verfilmung des ersten Bands anlief, waren es etwa 40000. Das sind 20 Prozent der gesamten Gäste im Ort. Diese Geschichte passt zu uns. Wir haben ein 600 Jahre altes Gefängnis, das noch benutzt wird, und ein Foltermuseum. Wir standen schon immer in dem Ruf, ein ungewöhnlicher Ort zu sein.
ZEIT: Was genau wollen die Fans sehen?
Zettelmayr: Am beliebtesten ist die Vicolo Mazzoni, jene kleine Gasse, in der sich Edward auf seinen Selbstmord vorbereitet, weil er glaubt, Bella sei tot. Das ist auch die Gasse, in der in der Geschichte die Vampire vom Adelsgeschlecht der Volturi aus der Unterwelt emporsteigen. Es gibt dort einen Gullydeckel, durch den man in die Kanalisation kommt. Auf den haben Touristen Sprüche wie »Bella and Edward forever« oder »Beiß mich!« in verschiedenen Sprachen geschrieben. Die Gasse ist düster und ein bisschen unheimlich. Man kann sich gut vorstellen, dass es dort zu gruseligen Begegnungen kommt. Aber es gibt auch andere interessante Orte. Das Stadttor, das Bella erst passieren kann, nachdem sie den Wärter bestochen hat. Oder den Palazzo Viti, in dem die Vampirsfamilie Volturi angeblich wohnte – natürlich hat es eine Familie dieses Namens hier nie gegeben. Übrigens existiert auch der Brunnen auf der Piazza, der im Buch eine große Rolle spielt, in Wirklichkeit nicht.
ZEIT: Die Toskana gilt eher als Reiseziel für ältere Menschen, die Olivenöl mögen oder einen Malkurs machen wollen. Ist der Vampir-Boom eine Chance, jüngere Gäste anzuziehen?
Zettelmayr: Ja, sicher. Obwohl wir uns erst mal ziemlich getäuscht hatten. Wir dachten, die Twilight- Fans sind alle zwischen 13 und 17 Jahre alt. Das stimmt aber nicht, der Boom erreicht Frauen bis in die späten Dreißiger. Es kommen auch Mütter mit ihren Töchtern, und wenn ich dann zu denen sage: »Ach ja, Sie begleiten Ihre Tochter, die hier unbedingt hinwollte«, antworten die ganz entrüstet: »Nein, wir wollen selbst sehen, wo Bella Edward gerettet hat.« Ich habe sogar mal eine Frau von den Bahamas hier herumgeführt. Sie war auf Europareise in London, Paris und Rom – und ist dann eigens wegen der Vampire nach Volterra gekommen. Da war ich richtig stolz.
ZEIT: Haben Sie die Bücher auch gerne gelesen?
Zettelmayr: Es gab bei uns die Dienstanweisung, zumindest den ersten Band zu lesen. Dann aber war ich so begeistert, dass ich mir auch die anderen besorgt habe. Heute bin ich selbst Fan und kann mich gut in die Touristen hineinversetzen. Ich habe sogar Motive aus dem Buch in meine Führungen einfließen lassen. In der Geschichte sind wir Stadtführer es, die den Vampiren Menschen zum Beißen vorbeibringen. Die Vampire dürfen ja nicht in der Stadt jagen. Selbstverständlich trifft auch meine Gruppe auf Vampire, aber mehr wird nicht verraten.
ZEIT: Wie kam Stephenie Meyer denn darauf, dass die Geschichte in Volterra spielen sollte?
Zettelmayr: Eigentlich wollte Meyer die Handlung gar nicht in einer realen Stadt spielen lassen, das hat sie bei einem Vortrag in unserer Stadt erzählt. Das Buch war schon fertig, als sie es sich anders überlegte und im Internet recherchierte, welcher Ort passen könnte. Da fiel die Wahl auf Volterra.
ZEIT: Nur leider waren die Produzenten nicht so überzeugt von der Stadt. Sie drehten im 120 Kilometer entfernten Montepulciano, das schon Kulisse vieler Filme war.
Zettelmayr: Ja, das war bitter für Volterra. Wir hätten es gern gesehen, wenn der Film hier gedreht worden wäre. Eine Zeit lang waren einige Leute richtig sauer auf Montepulciano. Aber mittlerweile hat man sich arrangiert. Man muss ja sehen: Für die Menschen in Montepulciano ist das auch nicht einfach. New Moon wurde zwar bei ihnen gedreht, aber im Film heißt die Stadt weiterhin Volterra.
ZEIT: Aber so erfolgreich, wie der Film angelaufen ist, pilgern die Fans doch bestimmt demnächst alle nach Montepulciano?
Zettelmayr: Das glaube ich nicht. Den größten Teil des Ruhms kriegen bislang wir ab. Und die echten Fans schauen sich beide Städte an.
Eva Zettelmayr, 26, ist Stadtführerin in Volterra